Georg Heinrich von Langsdorff - der Weltumsegler
von Ulrike Rödling

Er war einer der Bedeutendsten aus der Familie derer von Langsdorff. Vor 200 Jahren, kurz nach der Jahrhundertwende, begann Georg Heinrich von Langsdorff seine Forschungsreisen im Dienste des russischen Zaren Alexander I. und unternahm Expedition nach Expedition, bis eine Krankheit seinem Tatendrang Einhalt gebot. Sein Wissensdrang war schier unerschöpflich, neben seinem Interesse, neue landwirtschaftliche Methoden auf einem eigenen in Brasilien erworbenen Landgut in die Tat umzusetzen, traten botanische, zoologische, entomologische, geologische und ethnographische Studien. Seine umfangreichen Forschungserkenntnisse aus den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hinterließ er der Kaiserlich Russischen Akademie in Sankt Petersburg.

Georg Heinrichs Vater war Gottlieb Ämilius Langsdorff, der in Wöllstein in Rheinhessen 1771 Oberschultheis wurde. Hier wurde auch Georg Heinrich 1774 geboren. Gottlieb Ämilius siedelte mit seiner Familie nach Lahr um, wo er der letzte nassauische Oberamtmann im badischen Lahr war, später Landvogt in der Kurpfalz wurde und seine berufliche Karriere als Direktor am Großherzoglichen Oberhofgericht in Mannheim beendete. Sein Sohn, Georg Heinrich, widmete sich nach der Schulausbildung ganz der medizinischen Sache. Schon früh wurde sein Weg geprägt. In Göttingen studierte er Medizin und Naturwissenschaften bei dem Naturforscher Professor Blumenbach, der einen großen Einfluß auf ihn ausübte und ihm zeitlebens ein väterlicher Freund blieb.

Als Leibarzt des Prinzen Christian von Waldeck in russischen Diensten in Lissabon, kam er in Verbindung zum russischen Hof. Nach Waldecks Tod 1799 war Langsdorff zunächst in Lissabon als selbständiger Arzt tätig, - er soll dort die Pockenimpfung eingeführt haben -, bis er von geplanten russischen Expeditionen in ferne Gebiete hörte. Von Zar Alexander I. hatte der russische Kapitän von Krusenstern den Auftrag erhalten, Alaska und die Aleuten zu erforschen, sowie Handelsbeziehungen mit Japan anzuknüpfen. Als Diplomat begleitet Kammerherr von Resanow die Reise, als Naturforscher sollte sich Tilesius in Kopenhagen anschließen. Als Langsdorff davon hörte, reiste er nach Kopenhagen und stellte seine Dienste zur Verfügung. Mit Erfolg. Es gelang ihm, Mitglied der Expedition von Krusenstern zu werden, der in den Jahren 1803 bis 1807 mit den zwei russischen Expeditionsschiffen "Nadeschda" und "Newa" von Sankt Petersburg aus die Welt umsegelte.

Über diese Reisen berichtete Langsdorff in seinem zweibändigen Werk, das 1812 in Frankfurt erschien und durch das er

seinen Ruf als großer Naturwissenschaftlicher begründet hat. Gleichzeitig begeisterte er sich für das noch in weiten Teilen unerforschte Brasilien. In einem Brief nach Sankt Petersburg im Jahre 1804 beschrieb er seinen ersten Kontakt, hob die üppige Flora und Fauna hervor und lobte vor allem die große Gastfreundschaft der Bewohner. 1805 trennte sich Langsdorff von der Expedition und betrieb eigene Untersuchungen in Alaska, später in Kalifornien. Nach weiteren Stationen reiste er 1807 von Ochotsk aus teils zu Pferde, teils auf Flüssen durch Sibirien. Doch es zog ihn nach Brasilien zurück. Wegen der bei dieser Reise erworbenen Sprach- und Landeskenntnisse wurde er 1812 zum Kaiserlich Russischen Generalkonsul in Brasilien in Rio de Janeiro am Hof des Königshauses

Braganza, des späteren Kaisers Pedro, ernannt. Dorthin reiste er mit seiner frisch angetrauten Frau, Friederike Luise von Schubert. In den folgenden Jahren widmete er sich vor allem der geologischen, botanischen und zoologischen

Erforschung Brasiliens und schickte wiederholt ausführliche Berichte und große Kisten mit präparierten Tieren an die Kaiserlich Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg, der er seit 1808 angehörte. Im Jahr 1820 kehrte Georg Heinrich von Langsdorff noch einmal nach Europa zurück und hielt sich in Paris, München und Berlin auf, wo er seine wissenschaftlichen Beziehungen vertiefte und seine zoologischen und botanischen Schätze großzügig an die Museen verteilte. Der Akademie in Sankt Petersburg vermachte er seine umfangreichen naturwissenschaftlichen Sammlungen aus Brasilien. Seine Ehe allerdings war gescheitert, sie wurde geschieden, und Friederike Luise kehrte im gleichen Jahr mit ihren beiden Töchtern nach Sankt Petersburg zurück.

Ein Hauptanliegen war ihm nun die Kolonisation Brasiliens. Sein Landgut Mandioca sollte ein zentrales Modell für deutsche landwirtschaftliche Aktivitäten werden. Hierfür wollte er deutsche Kolonisten anwerben. Gleichzeitig warb er für finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung einer großen wissenschaftlichen Expedition ins Innere Brasiliens. 1821 traf er in Sankt Petersburg ein, wo er den Zaren Alexander I. um die Genehmigung und Finanzierung der Forschungsreise

bat, was ihm auch bewilligt wurde. Zurück in Deutschland, machte er sich auf die Suche nach Kolonistenfamilien und kehrte auch mit 29 deutschen Kolonisten und ihren Familien, insgesamt 94 Personen, nach Brasilien zurück, doch dort scheiterte das so hoffnungsvoll begonnene Projekt.

Auf der großen Besitzung der Fazenda Mandioca, drei Stunden landeinwärts nördlich von Rio in malerischem Bergland gelegen, betrieb Georg Heinrich von Langsdorff weiterhin Landwirtschaft im großen Stil mit 20 Sklaven. Das Landgut hatte er 1816 erworben. 1822 brachte er hierher seine zweite, 27 Jahre jüngere Frau und Cousine Wilhelmine, die Tochter des württembergischen Majors Alexander von Langsdorff, mit. Auf diesem Landgut wurde der an der Badischen Revolution 1848 in Freiburg beteiligte "Münstergeneral" Georg von Langsdorff (siehe Lahrer Hinkender Bote 1999) als drittes Kind von neun Geschwistern 1822 geboren.

Der mittlere Teil des brasilianischen Landguts lag an einer mit großen Quadersteinen gepflasterten Landstraße, die nach Matto Grosso in den nordwestlichen Teil des Landes führte. Das Gebirge war mit Urwald bedeckt; das Wohnhaus, eine schöne Villa, hieß Boa Vista und lag auf einem kleinen Hügel östlich der Straße. Im Norden und Osten befanden sich Kaffeeplantagen, - Georg Heinrich von Langsdorff gehörte neben seinem Freund I. F. Lecesne zu den Pionieren des Kaffeeanbaus in Brasilien -, die an den Urwald grenzten. 25.000 Pflanzen umfaßte seine Plantage. Eine halbe Stunde entfernt lag eine Mühle, in der Tapiokawurzeln zu Mehl zermahlen wurden. Die Wurzeln stellten neben schwarzen Bohnen das Hauptnahrungsmittel der Eingeborenen dar.

Georg Heinrich von Langsdorff war weiterhin mit größeren Projekten beschäftigt. Neben seiner Teilnahme an mehreren wissenschaftlichen Expeditionen plante er auch die Gründung einer brasilianischen Universität. Doch alle seine Pläne wurden durchkreuzt. Auf einer großen Expedition (1825 bis 1829), mit dem Ziel, den Ursprung des Amazonas zu erforschen, erkrankte Georg Heinrich schwer und erholte sich auch nach seiner Rückkehr nicht mehr. Langsdorff war fast ununterbrochen zu Fuß oder mit dem Schiff unterwegs gewesen, nur selten verblieb die Expedition für längere

Zeit an einem Ort. Dennoch hatte er lange Berichte über diese Reise für die Akademie verfaßt, denen er umfangreiche Listen der naturhistorischen Objekte beifügte, die er gesammelt hatte. Nun verlor er in Folge des "Gehirntyphus" das Gedächtnis, aber so, schrieb sein Sohn Georg später, "daß er sich wohl ganz genau des Vergangenen, aber nicht des Gegenwärtigen erinnern konnte, so daß er, wenn er eine Zeitung durchgelesen, ihm der Anfang etwas Neues war". Auf sich alleine gestellt, zog seine Frau mit den Kindern nach Rio, wo sie eine gute Stunde von der eigentlichen Hauptstadt entfernt in einem großen Hause, einer ehemaligen Mühle, wohnten. Dort erhielten die Kinder von einem pensionierten Major von Sevelo "echt soldatischen Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen".

1830 verkaufte die Familie den Besitz in Brasilien und kehrte am 17. April in Begleitung von Major Anton Adolf Friedrich von Sevelo, der den Schwerkranken auf der Reise betreute, nach Deutschland zurück. Insgesamt war die Zeit in Brasilien eine glückliche gewesen; das Haus der Langsdorffs bildete jahrelang ein kulturelles Zentrum, in dem sich Angehörige des Hofes, Militärs, Künstler, Naturforscher und natürlich alle bedeutenden Gelehrten und auch der Kaiser trafen.

Zwei Wochen dauerte die Seereise auf einer englischen Brigg. Nach der Ankunft in Antwerpen brachte Wilhelmine von Langsdorff ihren Sohn Adolf Wilhelm zur Welt. Einige Wochen später reiste die Familie, die nunmehr aus Georg Heinrich, seiner Frau, seiner Mutter, vier Jungen, einem Mädchen und dem Säugling bestand, in zwei geräumigen Reisechaisen den Rhein aufwärts nach Achern.

In Baden-Baden, untergebracht bei seiner Schwester, Franziska Wilhelmine Christine Gräfin von Sponeck, erholte sich Georg Heinrich von Langsdorff soweit, daß er "sehr unterhaltend über alles Frühere sprechen konnte, doch immer noch weder von der Rückreise, noch von der Gegenwart etwas wußte". Dort erhielt er auch oft Besuch von seinem Bruder Wilhelm (1781 bis 1851) aus dem nahegelegenen Lahr. 1831 zog die Familie in eine Villa in der Ludwigstraße nach Freiburg. Georg Heinrich hatte sich in Deutschland zwar physisch erholt, doch war er psychisch durch seine schweren

Tropenkrankheiten, vor allem Malaria, so geschwächt, daß er nicht mehr wissenschaftlich arbeiten konnte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1852 lebte er als Gelehrter hochgeachtet in Freiburg, ausgestattet mit einer großzügigen monatlichen Pension des Zaren Nikolaus I. in Höhe von 1.100 Rubeln. Er wurde auf dem Alten Friedhof in Freiburg beerdigt; der Grabstein ist noch vorhanden.



 



Ein abenteuerliches Leben führte der Arzt und Wissenschaftler Georg Heinrich von Langsdorff, dessen Vater der letzte nassauische Oberamtmann im badischen Lahr war. Den jungen Freiherrn zeigt ein Ölgemälde von A. Barbieu.


Georg Heinrich von Langsdorff gehörte zu den Pionieren des Kaffeeanbaus in Brasilien. Auf seiner großen Facenda Mandioca, nördlich von Rio gelegen, baute er 25.000 Pflanzen an.


Seinen Lebensabend verbrachte Georg Heinrich von Langsdorff hochgeachtet als Gelehrter in Freiburg.


Seine zweite Frau und Cousine Wilhelmine von Langsdorff war 27 Jahre jünger als Georg Heinrich. Sie lebte mit ihm in Brasilien und kehrte mit ihm 1830 nach Deutschland zurück.